Logo der Partei, Schriftzug eLeW vor einer goldenen Sonne mit dem Internet-at als Sonnenball Josef Liebhart, Der EU-Verfassungsvertrag – ein Fortschritt?

Hier drunter finden Sie den ganzen Artikel vom 29.7.2004 zur Diskussion vorgelegt. Rechts bittet die eLeW um Ihre Stellungnahme. Das können Argumente, Belege, andere Quellen, Korrekturen oder persönlicher Erfahrungsschatz sein. Die eLeW wird diese mit ihren Mitgliedern berücksichtigen. Außerdem steht J. Liebhart für direkte Fragen zur Verfügung. Weitere öffentliche Diskussionen gibt es in den eLeW-Foren.
Zur Person: J. Liebhart ist einer der drei Brüder, die die eLeW 2003 gestiftet haben.



Der Eu-Verfassungsvertrag – ein Fortschritt?

Das Problem mit dem EU-Verfassungsvertrag liegt darin, dass der umfangreiche Inhalt den meisten Bürgern gar nicht bekannt ist und außer in alternativen Kreisen auch fast nirgendwo diskutiert wird.
Ganz im Gegenteil wurden in der Öffentlichkeit und in fast allen Medien jede Menge Nebelkerzen geworfen und so getan, als wenn das einzige Problem die Macht- und Mehrheitsverhältnisse seien, weil die Regierungen von Spanien und Polen sie nicht akzeptieren wollten. Und nach dem Regierungswechsel in diesen beiden Ländern stehe der Annahme nichts mehr entgegen.

Der Inhalt wird völlig ausgeblendet und behauptet wird, wer diese Verfassung jetzt noch ablehnt, verhindert ein Fortschreiten des gemeinsamen Europas.

Scheinbar bringt diese erste EU-Verfassung durchaus Positives :
- mehrfach wird erklärt, die EU solle eine Union der Solidarität sein,
- die Charta der Grundrechte wird übernommen,
- die Anzahl der Bereiche, in denen europäische Gesetze in normalen Gesetzgebungsverfahren beschlossen werden, verdoppeln sich im Verhältnis zum heutigen Zustand, und
- das EU-Parlament erhält einige zusätzliche Rechte.

Aber selbst diese Verbesserungen schmelzen dahin, wenn man sie genauer anschaut. Solidarität und Grundrechte werden eingefordert, aber im dritten Teil der Verfassung, wo es um die Umsetzung geht, wird die neoliberale Wirtschaftspolitik mit ihrer Demontage des Sozialstaates festgeschrieben; die meisten zusätzlichen Parlamentsrechte entpuppen sich als ein Recht zuzustimmen oder abzulehnen, selten nur auch ein Initiativrecht. So hat das EU-Parlament das Haushaltsrecht nur innerhalb der vom Ministerrat festgelegten Obergrenze, Gesetze können nicht eingebracht werden, und der Kommissionspräsident wird zwar gewählt, aber nur unter den vorgegebenen Kandidaten.

Wir fordern vor einer Abstimmung eine intensive Diskussion dieser so wichtigen neuen Verfassung und lehnen den vorgelegten Entwurf ganz entschieden ab, weil er zum einen den Anforderungen an eine moderne Verfassung nicht gerecht wird und zum anderen eine total falsche Politik für die Zukunft zementiert.

Unsere Kritik :
1.) Die Verfassung muss auf demokratischen Strukturen aufbauen. Nur wenn die Menschen und ihre gewählten Vertreter Entscheidungs- und Einflussmöglichkeiten haben, kann man auch die Zustimmung der europäischen Bürger erhalten und eine weitere Abwendung von den Wahlen und von Europa überhaupt verhindern. Dies gewährleistet die Verfassung nicht.
2.) Es ist eine wahre Katastrophe, dass die jetzige Wirtschaftspolitik des Neoliberalismus mit ihrer Tendenz zu grenzenloser Freiheit des Handelns, des Geschäfte- und Gewinnmachens, der Privatisierung und des Rückzuges das Staates als Verfassungsauftrag festgeschrieben wird. Zu dieser Katastrophe gehört auch das Festhalten an den Maastrichtkriterien der Geldpolitik. Die Lehren der letzten 20 Jahre solcher verfehlten Politik werden einfach ignoriert und die weitere Zerstörung der gesellschaftlichen Bindungen, der Natur und Umwelt und unserer Zukunft in Kauf genommen.
3.) Eine weitere Katastrophe ist es, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik auf militärische Aufrüstung und Stärke zu gründen. Das Militär ist nicht mehr zur Verteidigung da, es wird umgebaut zum wichtigsten Instrument, weltweit die eigenen Interessen durchzusetzen, die Mitgliedsländer werden dafür zur Aufrüstung gezwungen ( Artikel I - 40,3 , das Gebot die „militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ ). Mit dieser Verfassung werden die EU-Länder gezwungen, die gleiche, falsche Politik, wie sie die USA zur Zeit praktiziert, zu übernehmen.
4.) Der 50 Jahre alte Euratomvertrag wird unverändert übernommen. Das ist unverantwortlich. Mit dem heutigen Wissen darf die Förderung und der Ausbau der Atomenergie auf gar keinen Fall in die neue EU-Verfassung als politisches Ziel übernommen werden.
5.) Europa ist im Vergleich zu anderen Regionen der Welt reich, und es ist auch deshalb reich, weil es Jahrhunderte lang andere Länder ausgebeutet hat. Es ist deshalb nicht zu akzeptieren, Europa als Festung auszubauen und möglichst alle Flüchtlinge und Asylbewerber fernzuhalten. Die Grund- und Menschenrechte müssen auch für diese Menschen verfassungsmäßig garantiert werden.

Fazit :
Es ist richtig und wichtig, dass Europa sich eine Verfassung geben will, insofern ist das Vorlegen eines Verfassungsentwurfs ein Fortschritt. Aber sowohl sein Zustandekommen als auch der Inhalt und die Art des geplanten Inkraftsetzens sind nicht zu akzeptieren. Es scheint so, als ob die monatelange Diskussion um den Abstimmungsmodus im Ministerrat, und die Blockade Polens und Spaniens deswegen, nur von einem möglichen, genaueren Beschäftigen mit dem Verfassungsentwurf ablenken sollte. Es ist dringend geboten, den europäischen Bürgern den Inhalt zu verdeutlichen und auf Änderungen zu dringen.
Die Forderungen sind klar :
Die Verfassung muss der EU demokratische Strukturen zuweisen; nicht ein bestimmtes Wirtschaftssystem ist vorzuschreiben, sondern soziale, gesellschaftliche und Umweltstandards sind zu formulieren, an denen sich das wirtschaftliche Handeln zu orientieren hat; und in der Außenpolitik ist Europa als ein Land des Friedens, der Friedfertigkeit und der Abrüstung zu definieren und allen Machtgelüsten eine Absage zu erteilen.



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3.6.2008