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Stellungnahme zum
GesundheitswesenModernisierungsGesetz (GMG)
1. Die Praxisgebühr etc. als ausschließliche Beitragserhöhung für Kranke
Das Ziel:
Das derzeitige GesundheitswesenModernisierungsGesetz (GMG) soll die
Finanzlöcher der Krankenkassen (Kk) stopfen, ohne die Mitgliedsbeiträge
direkt zu erhöhen.
Die Ursache:
Die Einnahmen der Kk sind an den Arbeitnehmerlohn gekoppelt und in Zeiten
von Arbeitsstellenabbau, hoher Arbeitslosigkeit und sinkenden Lohnsummen
stark rückläufig.
Die Absicht:
Bislang wurden die Kk je zur Hälfte vom Versicherten und dem Arbeitgeber
finanziert. In dem Ziel, die Lohnkosten zu senken, soll das GMG die
Einnahmeprobleme der Kk lösen, ohne die Arbeitgeber zu belasten.
Das Ergebnis:
Herausgekommen ist vielfältiges „zur Kasse Bitten“ im Krankheitsfall bei den
Zuzahlungen. Leider sind davon nicht einmal die Armen verschont, selbst der
Sozialhilfefall oder die Oma im Pflegeheim sollen von ihrem Taschengeld erst
mal 2 Prozent ihrer Jahreseinkünfte zuzahlen, ehe die Befreiung für den Rest
des Jahres einsetzt. Der herabgesetzte Satz von 1 Prozent für
Chronischkranke sollte für möglichst wenige gelten. Deshalb wurde anfangs
die Definition von chronischkrank entgegen dem Wortsinn auf besonders schwer
chronischkrank eingeschränkt. Hauptsache, die Einnahmen stimmen. Nach dem
ersten Entrüstungssturm Anfang Januar erfolgte jetzt der erste Rückzieher
und eine windelweiche neue Definition (chronischkrank der, bei dem eine
ärztliche Behandlung eine Besserung der Lebenserwartung oder der
Lebensqualität erwarten lässt), also fast jeder Kranke.
2. Die Krise der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
Hier ist es Zeit, den Blick auf unser Gesundheitswesen in der Gesamtheit
zu werfen. Denn das GMG ist nur das letzte Glied einer Kette vielfältiger
Fehlsteuerungen in der Vergangenheit durch unsere Politiker.
Die Hauptsünde:
Diese war das Wegnehmen von Kk-Einnahmen zum Sanieren der anderen
Sozialversicherungszweige wie Renten- und Arbeitslosenversicherung besonders
in den 80´ und 90´er Jahren, zuletzt noch 2001 durch Rot-Grün, mit Beträgen
über 25 Milliarden DM (Stichwort „Sozialverschiebebahnhof“).
Verrückter Wettbewerb:
Weiter war es falsch, einen „Markt“ von Krankenkassen anzustreben und die
Gründung neuer Kassen zu erleichtern. Der Kk-Wettbewerb erstreckt sich auf
einen Kampf um die Gesunden. Mit den niedrigen Beitragssätzen der neuen
Kassen, die bei vielen jungen Versicherten wenig Ausgaben haben, wurden dem
GKV-System Milliarden an Einnahmen entzogen. Gleichzeitig wurde es notwendig
in diesen Wettbewerb regelnd einzugreifen, denn ein Finanzausgleich wurde
nötig für die Altkassen mit vielen alten und chronischkranken Versicherten.
Kopflose Gesetzgebung:
Ein Gesetz benötigte das nächste Gesetz zur Fehlerkorrektur. Inzwischen sind
wir immer noch nicht beim Ende des Verschlimmbesserns angelangt. Der
Chefberater der jetzigen Regierung, Prof. Lauterbach, fordert einen
„brutalen Wettbewerb zwischen den Krankenkassen und auch den
Leistungserbringern“.
Das Ergebnis:
Der Wettbewerb kann für die Kk nur darin bestehen, möglichst verdeckt
Leistungen zu verweigern oder schlecht zu bezahlen und sich um Gesündere zu
reißen. Schon jetzt bezahlt eine große Berliner Betriebskrankenkasse
Krankenhausaufenthalte erst nach Einklagen über die Gerichte, fordert von
Ärzten Schadensersatz, wenn sie nicht das Billigste aus der Liste, sondern
nach Überlegung gezielt ein vielleicht einige Euros teureres Medikament
verordnen mit einer etwas anderer Wirkung. Es wird auch daran gedacht,
andere Länder als Beispiel zu nehmen, die Kosten sparen wollen durch
Rationieren speziellerer medizinischer Leistungen. Seien es der
Krankenhausaufenthalt erst nach teilweise über einem Jahr Wartezeit oder die
Warteliste für den Besuch beim Facharzt, der nur noch beim Krankenhaus oder
ähnlichen Zentren angesiedelt sein soll.
3. Falscher Lösungsvorschlag und Verschleierung mit dem Begriff
"Bürgerversicherung“
Verschleierte Gesundheitssteuer:
Die Befürworter einer "Bürgerversicherung" wollen nur von jedem Bürger
seinen Zahlbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung, auch wenn er dort
nicht versichert ist und keine Leistungen von ihr empfängt. Das ist dann
aber eigentlich nur eine neue Art Gesundheitssteuer unter einem falschen
Namen.
Oder Einheitspflichtversicherung:
Die Befürworter einer Einheitspflichtversicherung wollen jeden Bürger in der
GKV versichert sehen und deshalb die private kapitalgedeckte
Krankenversicherung abschaffen. Eine staatsgeregelte
Einheitspflichtversicherung kann jedoch nicht die Lösung sein. Sie bringt
auch keine Besserung, wie es im Ausland zu sehen ist. Der spanische Bürger
beispielsweise sucht seinen Arzt auf, bekommt einen Termin z.B. in vier
Monaten, kann aber auch nachmittags in die Arztwohnung zur Behandlung
kommen, wenn er privat bezahlt. In anderen Ländern, wie in England, gibt es
noch abschreckendere Beispiele, wie keine teuren Therapien, z.B. keine
Dialyse (Blutnierenwäsche) für Ältere.
Das geht aber nicht:
Die Abschaffung der Privaten Krankenversicherung ist nicht durchsetzbar, das
würde gegen das Grundgesetz mit dem Recht auf Eigentum verstoßen. Außerdem
käme auch die staatlich durchgeregelte Krankenversicherung, auch wenn sie
sich Bürgerversicherung nennen sollte, ebenfalls nicht ohne Einschränkungen
aus. Die Mehrheit der Bundesbürger möchte jedoch für die eigene Gesundheit
das Beste für sich in Anspruch nehmen. Die Vorstellungen davon sind aber
sehr unterschiedlich, will der eine zum Heilpraktiker gehen, will der andere
zum Spezialisten. Hier Wahlmöglichkeiten einzuräumen, ist sicher einer
freiheitlichen Gesellschaft angemessen und sinnvoll.
4. Der Vorschlag der eLeW
Allgemeine Krankenversicherungspflicht:
Die eLeW ist für eine allgemeine Krankenversicherungspflicht, nicht aber für
eine Pflichtversicherung. Das heißt, der Staat gibt einen
Mindestversicherungsumfang für jeden Bürger verpflichtend vor, so dass
keinesfalls ein Bürger durch Krankheit in Not geraten kann. Ähnlich wie bei
der Kfz-Haftpflichtversicherung die Mindestsumme vorgeschrieben ist, die
jeden Schaden abdeckt, müssen alle Arten von Krankheiten mit ihren modernen
Behandlungsmöglichkeiten von der Krankenversicherung abgedeckt werden.
Wahlmöglichkeiten mit Zusatztarifen beziehen sich auf Extra-Annehmlichkeiten
wie Einzelzimmer im Krankenhaus, Chefarztbehandlung oder aber auch auf
Heilpraktiker- oder andere Außenseitermethoden-Anwendungen.
Diese Versicherung können Private Krankenversicherer anbieten oder die
Krankenkassen. Diese können keine Auswahl unter den Versicherten treffen;
wer sich bei ihnen versichern will, muss angenommen werden (so genannter
Kontrahierungszwang).
Abrechnung:
Der Arzt behandelt wie beim jetzigen Privatpatienten gegen Rechnungsstellung
nach einer einheitlichen ärztlichen Gebührenordnung. Der Erkrankte reicht
seine Rechnung bei seinem Versicherer zur Erstattung ein (Kostenerstattung).
Da manche Kranke nicht geschäftsfähig oder behindert sind, wird bei einem
Teil der Versicherten die direkte Abrechnung zwischen Arzt und Kostenträger
nötig sein. Ebenso werden Leistungen bei Sozialhilfe-Empfängern nur zu einem
abgesenkten Satz berechnet werden. Da sind vielfältige Detailregelungen zur
Einführung eines reibungslosen Systems denkbar. Diese Vorschläge sind nicht
neu. Als hervorragendes Beispiel sei der Sozialgesetzentwurf der Professoren
Hankel und Schachtschneider genannt. Dieser kann noch ausgefeilt werden.
(Siehe auch
http://www.vv-bayern.de/vvb_homeweb ).
Abrechnung europaweit:
Mit der Kostenerstattung ist auch das Europa der freien Grenzen kein
Problem. Alle bekommen ihre Leistungen gegen Rechnung, wie bereits derzeit
bei den Deutschen im Ausland. Ein solches System ist völlig transparent,
erspart Verwaltungs- und Kontrollkosten in Milliardenhöhe bei den
Krankenkassen. (Die Verwaltungskosten der Kk sind derzeit im Januar 2004
fast so hoch wie die gesamten Arztbehandlungskosten Deutschlands.)
Flankierende Maßnahmen:
Als Ergänzung sind weitere Maßnahmen denkbar, z.B. die Einführung der
elektronischen Krankheitsakte auf der Chipkarte mit einer
Rechnungsberechtigung zu verknüpfen. Untersuchungskosten wären dann nur
berechnungsfähig, wenn kein Vorbefund vorliegt oder ein zusätzlicher
Erkenntnisgewinn für die Behandlung damit erreicht wird. Damit wird die viel
zitierte Leistungsspirale verhindert, die entsteht, wenn z.B. Befunde
unnötig doppelt erhoben werden. Hier könnten die Verwaltungen der
Kassenärztlichen Vereinigungen ihre Erfahrung einbringen und sich betätigen.
Vorschlag für die Übergangszeit: Es wäre angebracht, die fast 300
Krankenkassen auf etwa 5 bis 8 zu reduzieren (Eine Bundes-AOK, etwa drei
BKKs und vielleicht drei EKKs), in dem eine Mindestversichertenanzahl für
jede gefordert wird. Damit sind die Risiken besser gestreut und eine
unnötige Vielzahl von Direktoren- und anderen Spitzenposten sind hinfällig.
Ergebnis:
Der verrückte Wettbewerb unter den Kks an falscher Stelle entfällt, den
Unterschied zwischen Privat- und Kassenpatienten gibt es nicht mehr,
Milliardenausgaben für Verwaltung und Kontrolle entfallen. In einem
transparenten Gesundheitssystem erhalten Patienten mehr Eigenverantwortung
und werden nicht gegängelt, wen sie zu welchen Bedingungen aufsuchen dürfen.
Der Arzt kann sich wieder dem Erkennen und Behandeln von Krankheiten widmen,
statt dem Kranken ständig neue Kassenregeln erklären zu müssen. |
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13.4.2005, Ohne Namen: "Wie kann man diesen Artikel
ausdrucken?" Webmaster-Antwort: "Danke für das Interesse. Der Autor
wird den Artikel sicher noch einmal durchsehen, und dann wird hier ein Link zum
Download des Word-Dokuments gesetzt. Bis dahin bitte selbst nach Word
kopieren."
14.4.2005, Dr. Th. Scholz: Der Text ist in der Analyse richtig, war aber in
der damaligen Situation formuliert. Man sollte ihn nicht als neu verkaufen,
sondern als richtige, aber historische Analyse belassen. Jetzt kann man
darauf aufbauend noch mehr Analysepunkte bringen. Ich bin zwar zeitlich sehr
unter Druck, werde aber versuchen, mich Freitag abends daranzusetzen. |
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