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Was tun mit dem Irak?
Eines sollte klar sein : Obwohl wir uns gegen den Irakkrieg ausgesprochen
und auch demonstriert haben, mögliche Folgewirkungen schon damals absehbar
waren und die amerikanische Administration mit ihrer Kriegsentscheidung viel
kaputt gemacht hat – es gibt keinen Grund für Rechthaberei und schon gar
nicht für Schadenfreude.
Der Karren mit dem Namen „Naher Osten“ ist wahrlich in den Dreck gefahren
und die Lösung dieses Problems ist für eine friedliche Entwicklung auf
unserem Planeten mit entscheidend und sollte dementsprechend an oberster
Stelle des internationalen Engagements stehen.
Um eine tragfähige Lösung zu finden, sollte man emotionslos einige Tatsachen
als Grundlagen akzeptieren :
- Die Zukunft des Iraks muss man im Zusammenhang mit der ganzen Region
sehen, inklusive des Palästina-Problems.
- Die Amerikaner haben natürlich nicht aus Hilfsbereitschaft über 100.000
Soldaten im Irak stehen. Sie haben eigene Interessen dort und alle
Lösungsvorschläge müssen auch diese Interessen berücksichtigen.
- Es mag sein, dass für viele der Einmarsch der amerikanischen Soldaten ein
Akt der Befreiung war, heute sind sie aber für alle nur noch Besatzer und
der Weg in eine friedliche Zukunft kann wohl nur ohne amerikanische Führung
gegangen werden.
- Der Reichtum des Nahen Ostens ist das Erdöl. Wichtig für die
Weltwirtschaft, wichtig für die Machtstrukturen vor Ort und damit auch
entscheidender Streitpunkt.
Was ist also für eine mögliche Lösung zu berücksichtigen ?
Grundsätzlich gilt als Grundlage allen Handelns : allen Ländern der Region
muss Sicherheit und Perspektiven geboten werden. Das bedeutet auch
a) die Existenz und die Sicherheit Israels muss von der Weltgemeinschaft und
von den arabischen Nachbarn garantiert werden.
b) Im Gegenzug baut Israel seine Massenvernichtungswaffen ab und schafft
damit die Voraussetzung für einen atom-, biologie- und chemiewaffenfreien
Nahen Osten.
c) Das palästinensische Volk erhält das gesamte Westjordanland und den
Gazastreifen als eigenes Staatsgebiet. Die geplante israelische
Sicherheitsmauer, die die palästinensischen Existenzgrundlagen mehr
zerstört, als dass sie Israel schützt, kommt weg, und wird ersetzt durch
eine internationale Friedenstruppe, die beide Seiten so weit wie nötig
getrennt hält.
d) Der neue Staat Palästina erhält massive finanzielle Unterstützung, um die
Infrastruktur und eine eigene Wirtschaft aufzubauen. Gespeist wird diese
Aufbauhilfe von der internationalen Gemeinschaft, von Israel, die selbst am
meisten als direkter Nachbar von diesem Aufbau profitieren werden und von
einem Solidaritätsbeitrag der Ölproduktion der Nachbarschaft.
e) Die beiden Teile Jerusalems bleiben unter der jeweiligen israelischen und
palästinensischen Verwaltung. Die Oberhoheit für Gesamtjerusalem erhält die
UNO, die auch ihren Hauptsitz und ihre Vollversammlungen von New York nach
dorthin verlegen.
f) Als Gegenleistung für Israels Entgegenkommen verzichten die arabischen
Nachbarn auf schwere Angriffswaffen. Sie verpflichten sich, an der
internationalen Verfolgung und Bestrafung von Terroristen teilzunehmen. Auch
ihnen wird dafür von der Staatengemeinschaft ihre Existenz und
Selbständigkeit garantiert
g) Es wird ein regionales Beratungs- und Aufbaugremium gebildet, an dem alle
Staaten der Region plus die ständigen Vertreter des UN-Sicherheitsrates
vertreten sind. Erste Aufgabe ist die Koordination und Unterstützung des
Aufbaus vom Irak und von Palästina. Später kann das Gremium dann eine Art
OECD für den Nahen Osten sein, dem alle Art von Konfliktvorbeugung und
–Regelung in der Region zufällt.
h) Die USA tritt ihre jetzige Rolle im Irak an die UNO ab. Um Vertrauen zu
schaffen, erscheint es unerlässlich, dass alle US-Truppen und auch die
britischen Soldaten sich von der Sicherung des Iraks zurückziehen. Sie
müssen allerdings ersetzt werden. Gut wäre es, wenn sich solche Truppen
zusammensetzen würden aus arabischen Ländern, z.B. Marokko und Ägypten, aus
muslimischen wie Pakistan oder den Philippinen, aus Afrika käme vielleicht
Südafrika in Frage und auch aus Asien und Europa sollten sich Staaten
beteiligen.
i) Zur inneren Befriedung des Iraks erscheint es sinnvoll, ihn zwar als
Gesamtstaat aufzubauen, aber mit starken föderalen Elementen. Alle drei
Teilgebiete, der Norden als kurdisches Gebiet, der Süden schiitisch und der
zentrale Westen als eher sunnitisches oder säkulares oder multiethisches
Gebiet sollten eine relativ große Eigenständigkeit erhalten, weil in diesen
etwas kleineren und überschaubareren Gebieten eine gemeinsame Ordnung und
dementsprechend auch die Sicherheit für die Bürger etwas leichter zu
erreichen ist, als von einer Zentralregierung.
j) Natürlich wird für den Wiederaufbau Geld gebraucht. Zum Glück ist durch
das Öl (zumindest theoretisch) schon mal viel Kapital vorhanden. Man sollte
der irakischen Regierung die volle Souveränität über das Öl geben,
vielleicht, um Missbrauch und Korruption zu vermeiden, unter der Bedingung
von voller Offenlegung aller Geschäfte. ( Dies ist ein durchaus wichtiger
Punkt, vor allem auch, wenn es funktioniert, als Beispiel für ein generelles
Finanzgebaren von UN-Aufgaben. )
k) Und natürlich kann man die Amerikaner nicht ganz aus dem Irak heraus
werfen. Aber sie sollten sich auf wenige Stützpunkte zurückziehen. Und wenn
es geht ohne Ordnungsfunktionen.
l) Als Letztes noch : Es ist absehbar, dass die Ölvorräte auf der Welt zu
Ende, zumindest zurück gehen. Und damit die Gefahr wächst, um diese letzten
Vorräte Verteilungskämpfe zu führen. Was die gesamte Region wieder zum
potentiellen Kriegsschauplatz machen würde. Deshalb muss in den nächsten
Jahren ein entscheidender Schwerpunkt der internationalen Gemeinschaft die
Förderung regenerativer Energien werden.
Vielleicht noch einige Anmerkungen, um das Ganze nicht als allzu
optimistisch erscheinen zu lassen. Solch eine umfassende Lösung für den
Nahen Osten kommt natürlich nur zustande, wenn alle Beteiligten
kompromissbereit sind. Und kompromissbereit ist man nur dann, wenn die
eigenen Interessen ausreichend berücksichtigt werden. Und wenn man sich die
Interessenslage vor Ort genauer anschaut, dann wird deutlich, dass mit solch
einer Friedenslösung, wie sie oben skizziert wurde, wirklich alle mehr
profitieren als verlieren.
Fangen wir mit dem wichtigsten Akteur an,
- den USA.
Wenn man alles rhetorische Gerede beiseite lässt, dann haben sie im Irak vor
allem wirtschaftliche Interessen. Sicherung der Ölversorgung, Sicherung des
hohen Ölpreises (kein Schreibfehler), Kontrolle des Weltölmarktes und damit
die Stabilisierung des Dollars als Weltwährung, was wiederum die
Voraussetzung für den Seignoragevorteil ist, also unbegrenzt Dollar drucken
zu können und sich wie in den letzten Jahren jährlich 500 bis 600 Mrd. $
Handelsbilanzdefizite zu leisten. Natürlich kommen da noch riesige
Gewinnmöglichkeiten für Rüstungs- Bau- und Ölgesellschaften dazu. Wenn jetzt
diese Interessen der USA durchgesetzt werden können, ohne dass ihr Militär
im Irak die Führungsrolle innehat, wenn die Geschäfte auch unter
UN-Kontrolle laufen und ihre militärische Kontrolle der gesamten Region auch
über einzelne Stützpunkte gewährleistet ist, warum soll sie sich dann nicht
aus dem Konflikt zurück ziehen ? Vor allem wenn man bedenkt, dass den USA
schon vor dem Irakkrieg das militärische Engagement im Nahen Osten zur
Absicherung ihrer Ölinteressen jährlich über 50 Mrd. $ gekostet hat.
- Dann der Irak.
Volle Souveränität über ihr Land und die Öleinnahmen, was wollte eine
irakische Regierung mehr. Da kann sie die Kröten von amerikanischen
Stützpunkten im Land und Offenlegung aller Finanztransaktionen bestimmt
schlucken. Noch einmal: die Offenlegung aller Geldflüsse ist deshalb so
wichtig, weil das der entscheidende Punkt einer Demokratisierung ist. Wenn
solch eine Transparenz erreicht werden kann, dann ist eine Demokratisierung
gar nicht mehr zu verhindern, egal wie auch immer eine Regierung zustande
gekommen ist.
- Israel ist natürlich der schwerste Brocken:
Aber auch für Israel überwiegen eindeutig die Vorteile, wenn auch nicht
unbedingt für die Hardliner, auf jeden Fall aber für die Mehrheit der
Bevölkerung. Ein Land kann auf Dauer nicht existieren mit nur Feinden um
sich herum. Schon heute geht der größte Teil des Haushaltes in die
Verteidigung, ohne Aussicht auf Reduzierung und mit zunehmender Verarmung
der Gesellschaft dort. Die Existenzsicherung Israels geht an die UN über und
die dafür nötigen gewaltigen Anstrengungen sollte die Weltgemeinschaft
bereit sein zu leisten.
Dass die Oberhoheit über Jerusalem an die UN abgetreten werden muss, sollte
kein Problem sein. Wenn die Stadt neue Zentrale der UNO wird, findet eine
Aufwertung der gesamten Region statt, gar nicht zu sprechen von dem damit
verbundenen Schub für die Wirtschaft.
Die Palästinenser wären eindeutig auch Gewinner. Wenn auch für sie wieder
wirtschaftliche Perspektiven vorhanden sind, die vielen Flüchtlingslager
aufgelöst werden können, dann besteht auch die Chance, den Hass abzubauen.
Eine mögliche Perspektive wäre, in Palästina in die solare Technik zu
investieren, dort ein solares Zentrum für die gesamte Region einzurichten.
Alle anderen arabischen Nachbarn profitieren ebenfalls vom Frieden, können
ihre militärischen Ausgaben reduzieren, brauchen keine Angst mehr vor
israelischen Massenvernichtungswaffen haben und somit selbst problemlos
darauf verzichten und können am wirtschaftlichen Aufschwung der Region teil
haben, ebenso wie am wieder florierenden Tourismus.
Noch eine letzte Anmerkung : Solch eine umfassende Friedenslösung ist
natürlich nur schwer zu erreichen. Nicht nur die allergrößten Anstrengungen
sind notwendig, sondern elementar wichtig für einen Erfolg ist vor allem
auch eine intensive Unterrichtung und Einbindung aller Menschen der Region.
Die Verhandlungen und Gespräche dürfen nicht hinter verschlossenen Türen
stattfinden, nicht nur mit den politischen und militärischen Machthabern
geführt werden. Denn diese sind häufig mehr am Status Quo als am Frieden
interessiert. Es müssen die Menschen kontinuierlich informiert und auch
gefragt werden. Denn nur dann kommen die Machthaber unter den nötigen
Erfolgsdruck. |
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