Startseite

Aktuell

Aussagen

Dokumente

Mitglieder

Forum, FAQ

Chat

Impressum

Josef Liebhart, Was tun mit dem Irak? Links steht der Artikel vom 21.7.2004. Rechts stehen Aussagen von Internetbesuchern. Internetbesucher können auch gänzlich neue Aussagen zum Zusammenhang machen und eintragen. Die eLeW wird diese mit ihren Mitgliedern berücksichtigen. Für eine öffentliche Diskussion stehen die eLeW-Foren zur Verfügung.
 
 

Was tun mit dem Irak?

Eines sollte klar sein : Obwohl wir uns gegen den Irakkrieg ausgesprochen und auch demonstriert haben, mögliche Folgewirkungen schon damals absehbar waren und die amerikanische Administration mit ihrer Kriegsentscheidung viel kaputt gemacht hat – es gibt keinen Grund für Rechthaberei und schon gar nicht für Schadenfreude.

Der Karren mit dem Namen „Naher Osten“ ist wahrlich in den Dreck gefahren und die Lösung dieses Problems ist für eine friedliche Entwicklung auf unserem Planeten mit entscheidend und sollte dementsprechend an oberster Stelle des internationalen Engagements stehen.

Um eine tragfähige Lösung zu finden, sollte man emotionslos einige Tatsachen als Grundlagen akzeptieren :

- Die Zukunft des Iraks muss man im Zusammenhang mit der ganzen Region sehen, inklusive des Palästina-Problems.
- Die Amerikaner haben natürlich nicht aus Hilfsbereitschaft über 100.000 Soldaten im Irak stehen. Sie haben eigene Interessen dort und alle Lösungsvorschläge müssen auch diese Interessen berücksichtigen.
- Es mag sein, dass für viele der Einmarsch der amerikanischen Soldaten ein Akt der Befreiung war, heute sind sie aber für alle nur noch Besatzer und der Weg in eine friedliche Zukunft kann wohl nur ohne amerikanische Führung gegangen werden.
- Der Reichtum des Nahen Ostens ist das Erdöl. Wichtig für die Weltwirtschaft, wichtig für die Machtstrukturen vor Ort und damit auch entscheidender Streitpunkt.

Was ist also für eine mögliche Lösung zu berücksichtigen ?

Grundsätzlich gilt als Grundlage allen Handelns : allen Ländern der Region muss Sicherheit und Perspektiven geboten werden. Das bedeutet auch
a) die Existenz und die Sicherheit Israels muss von der Weltgemeinschaft und von den arabischen Nachbarn garantiert werden.
b) Im Gegenzug baut Israel seine Massenvernichtungswaffen ab und schafft damit die Voraussetzung für einen atom-, biologie- und chemiewaffenfreien Nahen Osten.
c) Das palästinensische Volk erhält das gesamte Westjordanland und den Gazastreifen als eigenes Staatsgebiet. Die geplante israelische Sicherheitsmauer, die die palästinensischen Existenzgrundlagen mehr zerstört, als dass sie Israel schützt, kommt weg, und wird ersetzt durch eine internationale Friedenstruppe, die beide Seiten so weit wie nötig getrennt hält.
d) Der neue Staat Palästina erhält massive finanzielle Unterstützung, um die Infrastruktur und eine eigene Wirtschaft aufzubauen. Gespeist wird diese Aufbauhilfe von der internationalen Gemeinschaft, von Israel, die selbst am meisten als direkter Nachbar von diesem Aufbau profitieren werden und von einem Solidaritätsbeitrag der Ölproduktion der Nachbarschaft.
e) Die beiden Teile Jerusalems bleiben unter der jeweiligen israelischen und palästinensischen Verwaltung. Die Oberhoheit für Gesamtjerusalem erhält die UNO, die auch ihren Hauptsitz und ihre Vollversammlungen von New York nach dorthin verlegen.
f) Als Gegenleistung für Israels Entgegenkommen verzichten die arabischen Nachbarn auf schwere Angriffswaffen. Sie verpflichten sich, an der internationalen Verfolgung und Bestrafung von Terroristen teilzunehmen. Auch ihnen wird dafür von der Staatengemeinschaft ihre Existenz und Selbständigkeit garantiert
g) Es wird ein regionales Beratungs- und Aufbaugremium gebildet, an dem alle Staaten der Region plus die ständigen Vertreter des UN-Sicherheitsrates vertreten sind. Erste Aufgabe ist die Koordination und Unterstützung des Aufbaus vom Irak und von Palästina. Später kann das Gremium dann eine Art OECD für den Nahen Osten sein, dem alle Art von Konfliktvorbeugung und –Regelung in der Region zufällt.
h) Die USA tritt ihre jetzige Rolle im Irak an die UNO ab. Um Vertrauen zu schaffen, erscheint es unerlässlich, dass alle US-Truppen und auch die britischen Soldaten sich von der Sicherung des Iraks zurückziehen. Sie müssen allerdings ersetzt werden. Gut wäre es, wenn sich solche Truppen zusammensetzen würden aus arabischen Ländern, z.B. Marokko und Ägypten, aus muslimischen wie Pakistan oder den Philippinen, aus Afrika käme vielleicht Südafrika in Frage und auch aus Asien und Europa sollten sich Staaten beteiligen.
i) Zur inneren Befriedung des Iraks erscheint es sinnvoll, ihn zwar als Gesamtstaat aufzubauen, aber mit starken föderalen Elementen. Alle drei Teilgebiete, der Norden als kurdisches Gebiet, der Süden schiitisch und der zentrale Westen als eher sunnitisches oder säkulares oder multiethisches Gebiet sollten eine relativ große Eigenständigkeit erhalten, weil in diesen etwas kleineren und überschaubareren Gebieten eine gemeinsame Ordnung und dementsprechend auch die Sicherheit für die Bürger etwas leichter zu erreichen ist, als von einer Zentralregierung.
j) Natürlich wird für den Wiederaufbau Geld gebraucht. Zum Glück ist durch das Öl (zumindest theoretisch) schon mal viel Kapital vorhanden. Man sollte der irakischen Regierung die volle Souveränität über das Öl geben, vielleicht, um Missbrauch und Korruption zu vermeiden, unter der Bedingung von voller Offenlegung aller Geschäfte. ( Dies ist ein durchaus wichtiger Punkt, vor allem auch, wenn es funktioniert, als Beispiel für ein generelles Finanzgebaren von UN-Aufgaben. )
k) Und natürlich kann man die Amerikaner nicht ganz aus dem Irak heraus werfen. Aber sie sollten sich auf wenige Stützpunkte zurückziehen. Und wenn es geht ohne Ordnungsfunktionen.
l) Als Letztes noch : Es ist absehbar, dass die Ölvorräte auf der Welt zu Ende, zumindest zurück gehen. Und damit die Gefahr wächst, um diese letzten Vorräte Verteilungskämpfe zu führen. Was die gesamte Region wieder zum potentiellen Kriegsschauplatz machen würde. Deshalb muss in den nächsten Jahren ein entscheidender Schwerpunkt der internationalen Gemeinschaft die Förderung regenerativer Energien werden.

Vielleicht noch einige Anmerkungen, um das Ganze nicht als allzu optimistisch erscheinen zu lassen. Solch eine umfassende Lösung für den Nahen Osten kommt natürlich nur zustande, wenn alle Beteiligten kompromissbereit sind. Und kompromissbereit ist man nur dann, wenn die eigenen Interessen ausreichend berücksichtigt werden. Und wenn man sich die Interessenslage vor Ort genauer anschaut, dann wird deutlich, dass mit solch einer Friedenslösung, wie sie oben skizziert wurde, wirklich alle mehr profitieren als verlieren.

Fangen wir mit dem wichtigsten Akteur an,
- den USA.
Wenn man alles rhetorische Gerede beiseite lässt, dann haben sie im Irak vor allem wirtschaftliche Interessen. Sicherung der Ölversorgung, Sicherung des hohen Ölpreises (kein Schreibfehler), Kontrolle des Weltölmarktes und damit die Stabilisierung des Dollars als Weltwährung, was wiederum die Voraussetzung für den Seignoragevorteil ist, also unbegrenzt Dollar drucken zu können und sich wie in den letzten Jahren jährlich 500 bis 600 Mrd. $ Handelsbilanzdefizite zu leisten. Natürlich kommen da noch riesige Gewinnmöglichkeiten für Rüstungs- Bau- und Ölgesellschaften dazu. Wenn jetzt diese Interessen der USA durchgesetzt werden können, ohne dass ihr Militär im Irak die Führungsrolle innehat, wenn die Geschäfte auch unter UN-Kontrolle laufen und ihre militärische Kontrolle der gesamten Region auch über einzelne Stützpunkte gewährleistet ist, warum soll sie sich dann nicht aus dem Konflikt zurück ziehen ? Vor allem wenn man bedenkt, dass den USA schon vor dem Irakkrieg das militärische Engagement im Nahen Osten zur Absicherung ihrer Ölinteressen jährlich über 50 Mrd. $ gekostet hat.
- Dann der Irak.
Volle Souveränität über ihr Land und die Öleinnahmen, was wollte eine irakische Regierung mehr. Da kann sie die Kröten von amerikanischen Stützpunkten im Land und Offenlegung aller Finanztransaktionen bestimmt schlucken. Noch einmal: die Offenlegung aller Geldflüsse ist deshalb so wichtig, weil das der entscheidende Punkt einer Demokratisierung ist. Wenn solch eine Transparenz erreicht werden kann, dann ist eine Demokratisierung gar nicht mehr zu verhindern, egal wie auch immer eine Regierung zustande gekommen ist.
- Israel ist natürlich der schwerste Brocken:
Aber auch für Israel überwiegen eindeutig die Vorteile, wenn auch nicht unbedingt für die Hardliner, auf jeden Fall aber für die Mehrheit der Bevölkerung. Ein Land kann auf Dauer nicht existieren mit nur Feinden um sich herum. Schon heute geht der größte Teil des Haushaltes in die Verteidigung, ohne Aussicht auf Reduzierung und mit zunehmender Verarmung der Gesellschaft dort. Die Existenzsicherung Israels geht an die UN über und die dafür nötigen gewaltigen Anstrengungen sollte die Weltgemeinschaft bereit sein zu leisten.

Dass die Oberhoheit über Jerusalem an die UN abgetreten werden muss, sollte kein Problem sein. Wenn die Stadt neue Zentrale der UNO wird, findet eine Aufwertung der gesamten Region statt, gar nicht zu sprechen von dem damit verbundenen Schub für die Wirtschaft.
Die Palästinenser wären eindeutig auch Gewinner. Wenn auch für sie wieder wirtschaftliche Perspektiven vorhanden sind, die vielen Flüchtlingslager aufgelöst werden können, dann besteht auch die Chance, den Hass abzubauen. Eine mögliche Perspektive wäre, in Palästina in die solare Technik zu investieren, dort ein solares Zentrum für die gesamte Region einzurichten.
Alle anderen arabischen Nachbarn profitieren ebenfalls vom Frieden, können ihre militärischen Ausgaben reduzieren, brauchen keine Angst mehr vor israelischen Massenvernichtungswaffen haben und somit selbst problemlos darauf verzichten und können am wirtschaftlichen Aufschwung der Region teil haben, ebenso wie am wieder florierenden Tourismus.

Noch eine letzte Anmerkung : Solch eine umfassende Friedenslösung ist natürlich nur schwer zu erreichen. Nicht nur die allergrößten Anstrengungen sind notwendig, sondern elementar wichtig für einen Erfolg ist vor allem auch eine intensive Unterrichtung und Einbindung aller Menschen der Region. Die Verhandlungen und Gespräche dürfen nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden, nicht nur mit den politischen und militärischen Machthabern geführt werden. Denn diese sind häufig mehr am Status Quo als am Frieden interessiert. Es müssen die Menschen kontinuierlich informiert und auch gefragt werden. Denn nur dann kommen die Machthaber unter den nötigen Erfolgsdruck.

 

 

 


Tragen Sie hier bitte Ihre Stellungnahme zu obigem Artikel oder zum Thema ein.